3.4 Fachkräftenachwuchs, Qualifizierung

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    3 Die ITK-Branche wie auch die Anwender von ITK-Systemen auf
    4 Unternehmensseite sind angewiesen auf Spezialisten, die mit
    5 dem hohen Innovationstempo von Technologien und Produkten
    6 Schritt halten können – sei es als kreative Gestalter und
    7 Entwickler oder als qualifizierte Nutzer. Informations- und
    8 Kommunikationstechnologien sind als eigenständige Branche
    9 noch sehr jung. In den zurück liegenden zwanzig Jahren hat
    10 dieser Bereich eine markante Entwicklung durchlaufen, die
    11 mit dem Schlagwort der „Professionalisierung“ zumindest
    12 ansatzhaft charakterisiert werden kann. Über die zurück
    13 liegende Dekade hinweg lässt sich dieser Prozess vor allem
    14 durch den Bedeutungsverlust von Quereinsteigern (auch mit
    15 akademischem, jedoch nicht ITK-spezifischem Hintergrund)
    16 und dem Zuwachs an einschlägig qualifizierten Spezialisten
    17 belegen sowie durch den Trend zur Tertiarisierung.
    18 Letzterer lässt sich allerdings nicht nur auf einen höheren
    19 ‚Reifegrad‘ der Branche, sondern auch auf
    20 Strukturveränderungen der ITK-Branche in Deutschland
    21 zurückführen. Da die Produktion von ITK-Hardware und
    22 –Infrastruktur weitgehend aus Deutschland abgewandert ist,
    23 spielt der klassische Fertigungsbereich mit derzeit nur
    24 noch 70.000 Beschäftigten eine untergeordnete Rolle.
    25 Dominierend ist der beratungsintensive Bereich von Software
    26 und Services, der seit jeher stärker auf die Verbindung von
    27 technologischem Know how mit betriebswirtschaftlichen
    28 Kompetenzen ausgerichtet ist. Während Quereinsteigern in
    29 diesem Umfeld nur noch geringe Chancen eingeräumt werden,
    30 haben sich eine branchen¬spezi¬fische, flexible berufliche
    31 Erstausbildung, die durch vielfältige
    32 Weiterbildungsmöglichkeiten ergänzt wird, sowie ein
    33 differenziertes Angebot an ITK- bzw. ITK-relevanten
    34 Studiengängen etabliert. Beides, Ausbildung und Hochschule,
    35 soll nachfolgend kurz dargestellt werden. Weitere
    36 Qualifikationswege (Techniker im ITK-Bereich, Ausbildung an
    37 Berufsfachschulen oder Beruflichen Gymnasien, Staatlich
    38 geprüfte Informatik-Assistenten etc.) werden lediglich
    39 gestreift.
    40
    41 1. Duale Ausbildung in den IT- und Medienberufen
    42 Die IT- und Medienberufe haben sich seit ihrer Einführung
    43 in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre als wichtiger
    44 Pfeiler in der Nachwuchskräftesicherung für den ITK-Bereich
    45 etabliert. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten vor allem
    46 Hardware-orientierte Unternehmen auf dual ausgebildete
    47 Fachkräfte aus dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik
    48 zurückgreifen. Software-Unternehmen stand die Ausbildung
    49 zum Mathematisch-Technischen Assistenten zur Verfügung, um
    50 eigene Fachkräfte auszubilden. Diese Möglichkeit wurde
    51 jedoch nur in sehr geringem Umfang wahrgenommen, sodass
    52 sich einerseits das Image der ITK-Branche als
    53 ‚Akademikerbranche‘ etablierte, andererseits der steigende
    54 Fachkräftebedarf durch Quereinsteiger (mit oder ohne
    55 fachfremde Hochschulausbildung) gedeckt.
    56 Mit der Etablierung der sog. „Neuen IT-Berufe“ [FN:
    57 Verordnung über die Ausbildung im Bereich der Informations-
    58 und Kommunikationstechnik, BGBl I v. 10.07.1997, S.
    59 1741-1799.]
    60  Fachinformatiker / Fachinformatikerinnen (mit den
    61 Fachrichtungen Anwendungsentwicklung und Systemintegration)
    62  IT-Systemelektroniker / IT-Systemelektronikerinnen
    63  IT-Systemkaufleute
    64  Informatik-Kaufleute
    65 wurde eine neue Berufsfamilie geschaffen, die mit ihrer
    66 flexiblen Struktur (Orientierung an Geschäftsprozessen,
    67 gleiche Anteile von profilübergreifenden
    68 Kernqualifikationen und profilspezifischen
    69 Fachqualifikationen) beispielgebend auch für angrenzende
    70 Berufe im technischen Bereich wurden. Der große Erfolg der
    71 IT-Berufe zeigt sich neben der (Berufs-)bildungspolitischen
    72 Bedeutung auch in der zahlenmäßigen Entwicklung: Von 4.800
    73 Ausbildungsverhältnissen 1997 stieg diese Zahl über 25.600
    74 (1999) auf das Maximum von 48.500 im Jahr 2002 steil an.
    75 Die Branchenkrise machte sich auf dem Ausbildungsmarkt mit
    76 Verzögerung bemerkbar; in den Jahren 2003 bis 2006 sanken
    77 die Ausbildungszahlen bis auf 37.900 ab und stiegen dann
    78 wieder auf Werte um 40.000. Im Jahr 2011 lag die Zahl der
    79 IT-Azubis bei knapp 39.000. Mit rund 14.000 bestandenen
    80 Prüfungen pro Jahr liegt die IT-Ausbildung nur leicht
    81 hinter ihrem akademischen Pendant, dem Studienbereich
    82 Informatik, zurück. Seit Einführung der IT-Berufe (erster
    83 Prüfungsjahrgang 1998) haben mehr als 160.000 junge
    84 Menschen einen IHK-Abschluss erlangt. [FN: Zahlenangaben
    85 nach DIHK, Berufsbildungsstatistik.] An dieser
    86 Ausbildungsleistung ist die ITK-Kernbranche
    87 überproportional beteiligt. Erste Evaluationen nach
    88 Einführung der IT-Berufe ergaben einen Anteil von rund zwei
    89 Drittel aller Azubis in der ITK-Branche. [FN: Hans Borch
    90 und Hans Weißmann (Hg.), „IT-Berufe machen Karriere“,
    91 Bielefeld 2002.]
    92 Während sich die Ausbildungszahlen insgesamt relativ stabil
    93 präsentieren, haben sich die Anteile der einzelnen
    94 Ausbildungsprofile verschoben. Lag der Anteil der
    95 Fachinformatiker (beider Fachrichtungen) 2001 bei 51,4 %,
    96 so stieg er bis 2011 auf 65,5 % der neu abgeschlossenen
    97 Ausbildungsverträge an. Umgekehrt reduzierte sich der
    98 Anteil der IT-Systemelektroniker um nahezu ein Drittel von
    99 18 auf 12,6 %, während die beiden sog. kaufmännischen
    100 IT-Ausbildungsberufe zusammen von rund 30 auf gut 20 %
    101 zurückfielen. Diese Zahlen spiegeln die Veränderungen
    102 insbesondere im Telekommunikationsbereich (Digitalisierung
    103 der Netze, Aufbau mobiler Netze) wider, insbesondere die
    104 erheblichen Effizienzsteigerungen im Ausbau und der
    105 Administration der Netzinfrastruktur. Gleichzeitig spiegelt
    106 die Entwicklung im Ausbildungsbereich die besondere Dynamik
    107 der Branchensegmente Software und IT-Dienste, die
    108 Fachinformatiker und Fachinformatikerinnen als wichtigen
    109 Baustein für ihre Fachkräftestrategie bewerten.
    110 Die IT-Berufe zeigen neben den unbestrittenen Stärken einer
    111 Struktur, die die Spezifika einer breit gefächerten Branche
    112 gut aufnehmen kann, auch Schwachstellen. Diese liegen in
    113 der teilweise unzureichenden Trennschärfe der Profile
    114 (insbes. bei IT-Systemkaufleuten und Informatikkaufleuten)
    115 sowie der offensichtlich mangelhaften Attraktivität für
    116 Frauen. Trotz der Bemühungen zahlreicher Unternehmen um
    117 weibliche Auszubildende lag der Frauenanteil an den
    118 IT-Azubis in den Jahren 2000 bis 2002 bei schwachen 14 %.
    119 Seit 2003 geht dieser Anteil kontinuierlich zurück und lag
    120 im Jahr 2011 bei nur noch 8,4 %. An dieser Stelle zeigt
    121 sich konkreter Handlungsbedarf.
    122 Neben den genannten IT-Berufen wurden weitere Berufsbilder
    123 etabliert: 1999 wurde für den handwerklichen Bereich das
    124 Berufsbild „Informationselektroniker/-in“ geschaffen, 2007
    125 als Nachfolger für den Mathematisch-Technischen
    126 Assistenten der „Mathematisch-Technische
    127 Software-Entwickler“ [FN: Verordnung über die Ausbildung
    128 zum/zur Mathematik-Technischen Software-Entwickler /-in,
    129 BGBl I v. 14.03.2007, S. 326-334.] als dem Fachinformatiker
    130 Anwendungsentwicklung verwandtes Profil, das vor allem auf
    131 anspruchsvolle wissenschaftlich-mathematische Fragestellung
    132 abstellt, sowie aus dem Bereich der industriellen
    133 Elektrotechnik das Profil „Systeminformatiker/ in“ [FN:
    134 Verordnung über die industriellen Elektroberufe, BGBl I v.
    135 24.07.2007, S. 1678-1760.]. Sämtliche genannten Profile
    136 haben nur wenige hundert Auszubildende und ergänzen die
    137 IT-relevante Ausbildung nach heutigem Stand eher, als dass
    138 sie prägenden Einfluss auf die IT-Ausbildung entfalten
    139 könnten.
    140 Ebenfalls von untergeordneter Bedeutung ist die Ausbildung
    141 zum Techniker bzw. zur Techni-ker¬in. Während diese
    142 berufliche Weiterbildung im Bereichen wie z.B. dem
    143 Maschinen¬bau oder der Elektrotechnik hohes Ansehen genießt
    144 und entsprechend gute Karrierechancen eröffnet, verbinden
    145 sich für ehemalige IT-Azubis oftmals keine spürbaren
    146 Karriereschritte mit dem Absolvieren einer entsprechenden,
    147 meist berufsbegleitend absolvierten Weiterbildung.
    148
    149 Einen systematischen Ansatz für eine berufliche
    150 Weiterbildung eröffnet das dreistufige
    151 „IT-Weiterbildungssystem“:
    152  14 (ursprünglich 29) Spezialistenprofile
    153  4 operative Professionals
    154 2 strategische Professionals. [FN: Der ITK-Bereich gehört
    155 zu den Berufsfeldern, anhand derer im Jahr 2010 der Entwurf
    156 für einen Nationalen Qualifikationsrahmen getestet wurde.
    157 Die IT-Spezialisten wurden in diesem Verfahren der
    158 Niveaustufe 5 zugeordnet, die operativen Professionals der
    159 Stufe 6 (ebenso wie Bachelor-Abschlüsse) und strategische
    160 Professionals der Stufe 7 (ebenso wie Master-Studiengänge).
    161 Siehe „Abschlussbericht der Arbeitsgruppe IT
    162  zur zweiten Erarbeitungsphase des Deutschen
    163 Qualifikationsrahmens. Endfassung vom 17.09.2010, Übersicht
    164 S. 27-33.]
    165 Zugangsvoraussetzung zum IT-Weiterbildungssystem ist eine
    166 abgeschlossene IT-Ausbildung oder eine adäquate sonstige
    167 Qualifikation. Operative Professionals sind am Niveau von
    168 Bachelor-Studiengängen, strategische Professionals an
    169 Master-Studiengängen orientiert. Beide sind durch die
    170 Weiterbildungsverordnung geregelt, die Prüfungen werden von
    171 Industrie- und Handelskammern abgenommen. Die
    172 IT-Spezialisten unterliegen der internationalen
    173 Personalzertifizierungsnorm 17024 und sind damit
    174 privatwirtschaftlich geregelt. Mit dem 2002 verordneten und
    175 2008 überarbeiteten Weiterbildungssystem steht eine
    176 durchgängige Struktur zur Verfügung, die es ermöglichst,
    177 auch ohne Hochschulqualifikation eine betriebliche Karriere
    178 bis in obere Führungspositionen zu durchlaufen. Angesichts
    179 weniger tausend Teilnehmer seit dem Start des
    180 Weiterbildungssystems 2002 muss konstatiert werden, dass
    181 nicht alle Hoffnungen, die sich mit diesem grundlegenden
    182 Neuansatz verbunden haben, auch realisiert wurden. Wichtige
    183 Impulse sind vom IT-Weiterbildungssystem u.a. für die
    184 Themenbereiche „Durchlässigkeit“ und „Anrechenbarkeit von
    185 beruflichen Lernleistungen im Hochschulbereich“
    186 ausgegangen. [FN: Siehe die sog. „ANKOM“-Projekte des
    187 Bundesministeriums für Bildung und Forschung.]
    188 Für die berufliche Weiterbildung unverändert relevant sind
    189 Zertifikate einzelner Hersteller oder von
    190 Branchenvereinigungen. Große Relevanz haben
    191 Zertifikats-Angebote für Software-Testing durch das ISQI
    192 oder die Zertifizierung Projektmanagement-Kompetenzen durch
    193 die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement erreicht.
    194 Herstellerspezifische oder herstellerneutrale Zertifikate
    195 spielen eine große Rolle für ITK-Spezialisten, um die
    196 Aktualität von Wissen und Kompetenz transparent zu machen.
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