2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft - Teil 3

1-3 von 3
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    1 Der Gliederungspunkt 2.2.1 umfasst im Arbeitsprogramm
    2 mehrere Spiegelstriche mit verschiedenen Aspekten. Zu den
    3 Punkten Digitalisierung als Produktionsfaktor, Rolle von
    4 Algorithmen etwa beim Börsenhandel, bei den Empfehlungen
    5 von Handelsportalen, in der Kreativwirtschaft
    6 (Contentfarmen) hat sich die Projektgruppe in ihrer Sitzung
    7 vom 21.11.2011 auf den folgenden Text verständigt:
    8
    9
    10 (Bitte beachten Sie auch
    11 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft und
    12 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft -
    13 Teil 2)
    14
    15
    16 3. Börse
    17
    18 „Vorstellbar wäre sogar, dass alle Handelsteilnehmer ihre
    19 Aufträge von Algorithmen abarbeiten lassen.“
    20 (Frank Gerstenschläger, Vorstand Kassamarkt der Deutsche
    21 Börse AG, FAZ 16.04.2009 [FN:
    22 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/im-gespraech-fran
    23 k-gerstenschlaeger-vorstand-kassamarkt-der-deutsche-boerse-a
    24 g-das-boersenparkett-wird-bestehen-bleiben-1781458.html ])
    25
    26 Während der Handel auf den Aktienmärkten
    27 traditionellerweise von Händlern betrieben wurde, die
    28 Kaufs- und Verkaufsaufträge zunächst per Zuruf, später per
    29 Mausklick zur Ausführung brachten, sind mittlerweile große
    30 Teile des Börsenhandels automatisiert. Im Rahmen des
    31 sogenannten Algo-Tradings, des Hochgeschwindigkeitshandels,
    32 sind es Computer, die auf der Grundlage von Algorithmen
    33 „Entscheidungen“ über Käufe und Verkäufe von Aktien
    34 treffen. Während im Jahr 2007 nur 50% des weltweiten
    35 Aktienhandels auf den Hochgeschwindigkeitshandel entfielen
    36 [FN:
    37 http://www.zew.de/de/presse/1429/algo-trading-birgt-risiken-
    38 fuer-die-stabilitaet-der-finanzmaerkte ], waren es im Jahr
    39 2009 bereits 70%. [FN:
    40 http://www.themistrading.com/article_files/0000/0475/THEM_--
    41 _Why_Institutional_Investors_Should_Be_Concerned_About_High_
    42 Frequency_Traders_--_Final.pdf ] Für das deutsche
    43 Handelssystem Xetra geht man im Jahr 2011 von einem 60%igen
    44 Anteil aus. [FN:
    45 http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_554502] Der
    46 hohe Anteil des Algotradings am Gesamthandel wird als eine
    47 Gefahr für die Stabilität der Aktienmärkte gesehen. Einer
    48 im April 2010 veröffentlichten Befragung des Mannheimer
    49 Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge
    50 vermuten 68% der Finanzmarktexperten einen negativen bis
    51 sehr negativen Einfluss auf die Stabilität der
    52 Finanzmärkte. [FN: ZEW Finanzmarktreport 18. Jg. April
    53 2010, S. 3.]
    54
    55 Wie Algotrading funktioniert, haben Sal L. Arnuk und Joseph
    56 Saluzzi im Dezember 2008 in einem vielbeachteten Whitepaper
    57 erklärt. [FN:
    58 http://www.themistrading.com/article_files/0000/0348/Toxic_E
    59 quity_Trading_on_Wall_Street_12-17-08.pdf ] Institutionelle
    60 Anleger, etwa Fonds oder Banken, kaufen oder verkaufen,
    61 wenn sie Investitionsentscheidungen treffen, typischerweise
    62 nicht nur eine Handvoll Aktien, sondern große Volumina.
    63 Händler geben diese Aufträge in ein automatisiertes
    64 Handelssystem ein. Um eine Order erfolgreich und möglichst
    65 günstig ausführen zu können, wird sie in mehrere kleine
    66 Teile aufgesplittet. Solche Orders sind daran zu erkennen,
    67 dass sie typischerweise Volumina von 100 oder 500 Stück
    68 umfassen. Wenn also ein Handelssystem von einem
    69 institutionellen Anleger den Auftrag erhält, eine große
    70 Menge Aktien zu einem Preis von bis zu 20,05 Euro zu
    71 erwerben, platziert dieses möglicherweise zunächst eine
    72 Kauforder für nur 100 Aktien. Gelingt es, diese zu einem
    73 Stückpreis von 20,00 Euro zu erwerben, so platziert das
    74 System als nächstes eine Kauforder für 500 Stück. Ein
    75 Hochgeschwindigkeitsrechner kann hieran automatisch
    76 erkennen, dass es sich um einen großen Kaufauftrag eines
    77 institutionellen Anlegers handelt, der „scheibchenweise“
    78 ausgeführt werden soll. Bevor der Investor damit fortfahren
    79 kann, platziert der Hochgeschwindigkeitsrechner ein
    80 Kaufangebot für 100 Stück zum Preis von 20,01 Euro. Da er
    81 kurzfristig mehr bietet als der institutionelle Anleger,
    82 werden die Verkäufer die Aktien an ihn verkaufen statt an
    83 jenen. Geschieht dies, platziert der
    84 High-Frequency-Trading-Algorithmus als nächstes ein
    85 Verkaufsangebot zum Preis von 20,01 Euro und verkauft die
    86 Aktien an den institutionellen Investor weiter. Dieser hat
    87 also einen Cent pro Aktie mehr gezahlt als er ohne Zutun
    88 des HFT-Algos hätte zahlen müssen, während der
    89 HFT-Algorithmus zum gleichen Preis gekauft und verkauft
    90 hat. Er hat trotzdem einen Gewinn gemacht, weil der
    91 Handelsplatz, der an jeder Transaktion Gebühren verdient,
    92 ihm einen Rabatt von beispielsweise einem Viertel Cent
    93 gewährt.
    94
    95 Als besonders problematisch gilt der sogenannte
    96 „Raubtieralgorithmus“. Dabei nutzt der HFT-Algo die oben
    97 beschriebene Methode, um eine Order als die eines
    98 institutionellen Anlegers zu identifizieren. Unter
    99 Ausnutzung seines Liquiditätsrabatts treibt er den Preis
    100 schrittweise in die Höhe, bis er das vom institutionellen
    101 Anleger gesetzte Limit erreicht hat. Zu diesem Preis
    102 vollzieht er dann einen Leerverkauf, im Wissen, dass der
    103 Kurs mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder fallen wird.
    104 Sobald dies geschieht, covert er. Innerhalb weniger
    105 Sekunden können auf diese Weise starke Kursschwankungen
    106 entstehen.
    107
    108 Eine weitere beachtenswerte Tradingmethode im HFT-Handel
    109 ist das Pinging. Es beruht auf der
    110 Immediate-or-cancel-Systematik, also der Möglichkeit,
    111 Orders zu platzieren und sie, so sie nicht ausgeführt
    112 werden, sofort wieder zu annulieren. Die HFT-Algos können
    113 dies im Bruchteil von Sekunden vollziehen. So sind sie in
    114 der Lage, versteckte Limits institutioneller Anleger
    115 auszutesten. Ein institutioneller Anleger ist
    116 beispielsweise bereit, Aktien zu einem Preis von bis zu
    117 20,03 Euro zu erwerben, bietet jedoch zunächst nur 20,00
    118 Euro. Der HFT-Algorithmus identifiziert diese Order nach
    119 der eingangs beschriebenen Methode als die eines
    120 institutionellen Anlegers. Alsdann platziert er eine
    121 Verkaufsorder zum Preis von beispielsweise 20,05 Euro. Da
    122 kein Verkauf zustande kommt, cancelt er die Order und
    123 platziert als nächstes ein Verkaufsangebot von 20,04 Euro.
    124 Wiederum erfolgt keine Reaktion. Der Algorithmus geht auf
    125 20,03 Euro, und diesmal wird die Order ausgeführt. Der
    126 HFT-Algorithmus kennt nun das Oberlimit des
    127 institutionellen Anlegers. Er wendet sich nun wieder dem
    128 Markt zu und überbietet dort den institutionellen Anleger
    129 um einen Cent, kauft also für 20,01 Euro weitere Aktien
    130 auf, um sie dem institutionellen Anleger für 20,03 Euro
    131 weiterzuverkaufen.
    132
    133 Sämtliche dieser Tradingmethoden gehen auf Kosten der
    134 institutionellen Anleger, da sie darauf basieren, einen
    135 Preis künstlich in die Höhe zu treiben, von einem
    136 Liquiditätsrabatt zu profitieren und/oder einen
    137 Geschwindigkeitsvorsprung auszunutzen. Es handelt sich also
    138 um keine nachhaltige Handelsstrategie. Die ursprüngliche
    139 Rechtfertigung für das Zulassen solchen Handelns besteht in
    140 einem vermeintlichen Liquiditätszuwachs. Eine Steigerung
    141 der Handelsvolumina, wie sie durch HFT unzweifelhaft
    142 bewirkt werden, wird traditionell als Gewinn an Stabilität
    143 verstanden, da man davon ausgeht, dass umso mehr Liquidität
    144 am Markt ist, je mehr gehandelt wird. Dies ist jedoch ein
    145 Trugschluss. Die für den traditionellen Handel geltende
    146 Logik lässt sich auf das algorithmenbasierte HFT gerade
    147 nicht übertragen, da die Hochleistungsrechner im Fall von
    148 Verlusten dem Markt ihre Liquidität jederzeit wieder
    149 entziehen. Statt Märkte zu stabilisieren, führt HFT deshalb
    150 zu einer Destabilisierung des Finanzsystems.
    151
    152 Warum das so ist, wird verständlich, wenn man sich die
    153 Kettenreaktion ansieht, die im Falle eines nicht
    154 auszuschließenden Scheiterns der oben beschriebenen
    155 Tradingstrategien entsteht. Bleiben wir beim Beispiel des
    156 durch Pinging hochgepushten Kurses. Der letztendliche
    157 Erfolg dieser Strategie hängt allein davon ab, ob es dem
    158 HFT gelingt, die zum Zwecke des Weiterverkaufs an den
    159 institutionellen Anleger erworbenen Aktienvolumina
    160 tatsächlich zu verkaufen. Es kann nicht ausgeschlossen
    161 werden, dass der HFT zu viele Aktien erworben hat und nicht
    162 alle zum erstrebten Preis absetzen kann. Automatisch wird
    163 er sein Verkaufsangebot dann schrittweise reduzieren.
    164 Bietet der Markt keine entsprechende Nachfrage, kann es zu
    165 schnellen Kursstürzen, jedenfalls aber zu starken
    166 Kursschwankungen kommen. Da institutionelle und
    167 Kleinanleger auf die von ihnen gehaltenen Positionen in der
    168 Regel Stop-Loss-Limits gesetzt haben, kommt es bei
    169 Erreichen dieser Verlustbegrenzung zu massenhaften
    170 automatischen Verkäufen und damit zu hohen Kapitalverlusten.
    171
    172 Deutlich wurde dies bei dem sogenannten Flash Crash vom 6.
    173 Mai 2010, als der Dow Jones innerhalb von 25 Minuten um
    174 1.000 Punkte abstürzte und dabei Kapitalverluste in Höhe
    175 von 862 Milliarden Dollar verursachte. Die Aktie von
    176 Phillip Morris fiel dabei beispielsweise von 49 auf 17
    177 Dollar, bevor sie sich wieder „erholte“ und bei 47 Dollar
    178 stabilisierte. Tausende von Ordern, die mehr als 50%
    179 unterhalb des vor dem Kurssturz geltenden Kurses ausgeführt
    180 wurden, stornierten die Handelsplätze nachträglich.
    181 Bemerkenswert ist, dass die HFT die ihnen zugeschriebene
    182 Funktion, im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung zu
    183 stellen, nicht erfüllten, sondern im Gegenteil dem Markt
    184 zur Begrenzung eigener Verluste Liquidität in hohem Umfang
    185 entzogen.
    186
    187 Profiteure des HFT sind neben den entsprechenden Firmen vor
    188 allem die Börsenplätze. Für sie zahlt sich aus, dass HFT
    189 das Handelsvolumen künstlich in die Höhe treiben, denn die
    190 Börse verdient an jeder Order Gebühren. Da jeder Kauforder
    191 eines HFT eine Verkaufsorder eines anderen Marktteilnehmers
    192 gegenübersteht (und umgekehrt), lohnt es sich für die
    193 Börse, den HFT Gebühren zu erlassen und ihnen zudem einen
    194 Liquiditätsrabatt zu gewähren, der es ihnen ermöglicht,
    195 auch dann noch Gewinne zu machen, wenn sie zum selben Preis
    196 verkaufen, wie sie gekauft haben. Manche Börsenbetreiber
    197 gewähren bis zu einem Viertel eines Pennys pro Aktie Rabatt
    198 an Broker-Dealer, wenn diese eine Order platzieren,
    199 verdienen aber daran, dass sie dem Gegenpart, der die Order
    200 zur Ausführung bringt (also dem jeweiligen Käufer bzw.
    201 Verkäufer) eine höhere Transaktionsgebühr in Rechnung
    202 stellen. [FN: Johannes Gomolka: Algorithmic Trading.
    203 Analyse von computergesteuerten Prozessen im
    204 Wertpapierhandel unter Verwendung der
    205 Multifaktorenregression. Potsdam: Universitätsverlag
    206 Potsdam 2010, S. 162.] Dieses sogenannte Maker-Taker-Modell
    207 ist mittlerweile in Europa ebenso üblich wie in den USA.
    208 Außerdem verdienen die Börsen an der Vermietung von
    209 sogenannten Co-Location-Spaces. Da der Erfolg des HFT
    210 zunehmend von der Geschwindigkeit der Datenübertragung
    211 abhängt, haben auf diesem Gebiet tätige Handelsfirmen ein
    212 großes Interesse daran, räumlich so nahe wie möglich an den
    213 Rechenzentren der Handelsplätze selbst angesiedelt zu sein.
    214 Die Rede ist hier von der Latency Arbitrage, also vom
    215 Vorteil, den Handelsfirmen allein aufgrund ihrer besseren
    216 Datenleitung genießen. Der Latenzvorteil, den die örtliche
    217 Nähe mit sich bringt, hat rund um die Börsenplätze
    218 fußballfeldgroße Technikclustern entstehen lassen. Die NYSE
    219 hat beispielsweise 2009 eine 120 Quadratmeter große
    220 Colocation in New Jersey und eine weitere bei London bauen
    221 lassen, zu Kosten von 500 Millionen Dollar. [FN: The Wall
    222 Street Journal, 30. Juli 2009,
    223 http://www.efinancialnews.com/story/2009-07-31/nyses-fast-tr
    224 ade-hub-rises-up-in-new-jersey ] Diese Investitionen
    225 rentieren sich offenbar aufgrund der Mieteinnahmen, die die
    226 HFT-Firmen zu zahlen bereit sind. Die Miete rentiert sich
    227 ihrerseits offenbar aufgrund der dadurch erlangten
    228 Handelsvorteile.
    229
    230 Nicht zuletzt aber verdienen die Börsen an proprietären
    231 Datafeeds, die sie an die Betreiber der
    232 Hochgeschwindigkeitsrechner verkaufen. [FN:
    233 http://blog.themistrading.com/wp-content/uploads/2010/05/THE
    234 MIS-Data-Theft-On-Wall-Street-05-11-10.pdf ] Hier bietet
    235 sich ein Vergleich mit sozialen Netzwerken an: So wie
    236 Facebook Nutzungsdaten der user sammelt, um sie an
    237 Werbetreibende zu verkaufen, sammeln die Handelsplätze
    238 Daten ihrer privaten und institutionellen Kunden und
    239 verkaufen sie als „Direct Feed“ an die HFT-Firmen. In den
    240 USA heißen diese direct feeds etwa BATS PITCH oder
    241 TotalView-ITCH, in Deutschland gibt es den AlphaFlash
    242 („ultraschnelle Wirtschaftsdaten und Ad-hoc-Nachrichten für
    243 Algo-Trading-Applikationen“) [FN:
    244 http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/listcontent/gdb_
    245 navigation/mda/200_market_data/500_news_services/Content_Fil
    246 es/news_services_products/mda_sp_alphaflash.htm ], den High
    247 Performance Xetra Data Feed („all order book updates on an
    248 un-netted basis as soon as they occur“ ) sowie verschiedene
    249 andere Angebote. [FN:
    250 http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/en/binary/gdb_conte
    251 nt_pool/imported_files/public_files/10_downloads/50_informat
    252 ions_services/10_market_data_dissemination/11_information_pr
    253 oducts/10_spot_market/CEF_ultra_+_Xetra.pdf] Der Vorteil
    254 von direct data feeds besteht darin, Orderdaten und
    255 Volumina der Aufträge von institutionellen und
    256 Kleinanlegern schon zu kennen, bevor sie auf dem jeweiligen
    257 Marktplatz platziert werden, um die eigene Tradingstrategie
    258 darauf ausrichten zu können. Ähnlich wie bei Facebook
    259 werden bei den gängigen feeds die Daten natürlich in
    260 anonymisierter Form verkauft, jedoch so, dass sie von den
    261 Hochleistungsrechnern automatisch ausgewertet werden
    262 können. So wird es möglich, dass beispielsweise eine
    263 Kauforder, die eine Bank für einen ihrer Privatkunden in
    264 das Handelssystem eingibt, noch vor der Platzierung am
    265 Handelsplatz an einen HFT übermittelt wird, der daraufhin
    266 ggf. in der oben beschriebenen Weise den Preis hochtreiben
    267 und die Differenz als Gewinn verbuchen kann.
    268
    269 65% der vom Mannheimer Zentrum für Europäische
    270 Wirtschaftsforschung befragten Fachleute halten die
    271 bisherige gesetzliche Regulierung des
    272 Hochgeschwindigkeitshandels für unzureichend. [FN: ZEW
    273 Finanzmarktreport 18. Jg. April 2010, S. 3.] Wie die obige
    274 Beschreibung gezeigt hat, stellen die in der öffentlichen
    275 Diskussion besonders präsenten Leerverkäufe nur ein
    276 Teilproblem dar, und selbst dieses Teilproblem ist im
    277 Wesentlichen ungelöst. So hat beispielsweise der deutsche
    278 Gesetzgeber das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen stark
    279 beschränkt, nämlich auf deutsche Aktien und Staatstitel der
    280 Eurozone sowie Kreditversicherungen auf Staatstitel der
    281 Eurozone, die keinen Absicherungszwecken dienen, statt ein
    282 umfassendes Verbot solcher Geschäfte zu beschließen.
    283
    284 Dass die Stabilität der Aktienmärkte für die
    285 Gesamtwirtschaft eines Landes wie der Weltwirtschaft von
    286 entscheidender Bedeutung ist, zeigt sich beispielsweise an
    287 den Versuchen, europäische Volkswirtschaften wie die
    288 griechische durch sogenannte „Hilfspakete“ vor dem Bankrott
    289 zu retten. Die Anfälligkeit der internationalen
    290 Finanzmärkte für Kursstürze und Krisen hängt nicht zuletzt
    291 mit dem mittlerweile extrem hohen Anteil des Algotradings
    292 am Gesamthandelsvolumen zusammen. Durch High Frequency
    293 Trading entsteht die Illusion eines stabilen, gesunden, da
    294 mit genügend flüssigen Geldmitteln ausgestatteten
    295 Kapitalmarkts. Tatsächlich hat sich jedoch gezeigt, dass
    296 gerade High Frequency Trader dem Markt die Liquidität, die
    297 sie ihm zur Verfügung stellen, jederzeit wieder entziehen,
    298 um ihre Verluste zu begrenzen. Finanzkrisen haben insofern
    299 eine Auswirkung auf die Wirtschaft, als die
    300 „Rettungsaktionen“ nationaler Regierungen letztlich durch
    301 Steuergelder gegenfinanziert werden müssen. Steigen jedoch
    302 die Steuern, sinkt der Konsum, was wiederum das
    303 Wirtschaftswachstum bremst.
    304
    305
    306 Bitte beachten Sie auch
    307 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft und
    308 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft -
    309 Teil 2
  • 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft - Teil 3 (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 3. Börse
    2
    3 „Vorstellbar wäre sogar, dass alle Handelsteilnehmer ihre
    4 Aufträge von Algorithmen abarbeiten lassen.“
    5 (Frank Gerstenschläger, Vorstand Kassamarkt der Deutsche
    6 Börse AG, FAZ 16.04.2009 [FN:
    7 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/im-gespraech-fran
    8 k-gerstenschlaeger-vorstand-kassamarkt-der-deutsche-boerse-a
    9 g-das-boersenparkett-wird-bestehen-bleiben-1781458.html ])
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    11 Während der Handel auf den Aktienmärkten
    12 traditionellerweise von Händlern betrieben wurde, die
    13 Kaufs- und Verkaufsaufträge zunächst per Zuruf, später per
    14 Mausklick zur Ausführung brachten, sind mittlerweile große
    15 Teile des Börsenhandels automatisiert. Im Rahmen des
    16 sogenannten Algo-Tradings, des Hochgeschwindigkeitshandels,
    17 sind es Computer, die auf der Grundlage von Algorithmen
    18 „Entscheidungen“ über Käufe und Verkäufe von Aktien
    19 treffen. Während im Jahr 2007 nur 50% des weltweiten
    20 Aktienhandels auf den Hochgeschwindigkeitshandel entfielen
    21 [FN:
    22 http://www.zew.de/de/presse/1429/algo-trading-birgt-risiken-
    23 fuer-die-stabilitaet-der-finanzmaerkte ], waren es im Jahr
    24 2009 bereits 70%. [FN:
    25 http://www.themistrading.com/article_files/0000/0475/THEM_--
    26 _Why_Institutional_Investors_Should_Be_Concerned_About_High_
    27 Frequency_Traders_--_Final.pdf ] Für das deutsche
    28 Handelssystem Xetra geht man im Jahr 2011 von einem 60%igen
    29 Anteil aus. [FN:
    30 http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_554502] Der
    31 hohe Anteil des Algotradings am Gesamthandel wird als eine
    32 Gefahr für die Stabilität der Aktienmärkte gesehen. Einer
    33 im April 2010 veröffentlichten Befragung des Mannheimer
    34 Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge
    35 vermuten 68% der Finanzmarktexperten einen negativen bis
    36 sehr negativen Einfluss auf die Stabilität der
    37 Finanzmärkte. [FN: ZEW Finanzmarktreport 18. Jg. April
    38 2010, S. 3.]
    39
    40 Wie Algotrading funktioniert, haben Sal L. Arnuk und Joseph
    41 Saluzzi im Dezember 2008 in einem vielbeachteten Whitepaper
    42 erklärt. [FN:
    43 http://www.themistrading.com/article_files/0000/0348/Toxic_E
    44 quity_Trading_on_Wall_Street_12-17-08.pdf ] Institutionelle
    45 Anleger, etwa Fonds oder Banken, kaufen oder verkaufen,
    46 wenn sie Investitionsentscheidungen treffen, typischerweise
    47 nicht nur eine Handvoll Aktien, sondern große Volumina.
    48 Händler geben diese Aufträge in ein automatisiertes
    49 Handelssystem ein. Um eine Order erfolgreich und möglichst
    50 günstig ausführen zu können, wird sie in mehrere kleine
    51 Teile aufgesplittet. Solche Orders sind daran zu erkennen,
    52 dass sie typischerweise Volumina von 100 oder 500 Stück
    53 umfassen. Wenn also ein Handelssystem von einem
    54 institutionellen Anleger den Auftrag erhält, eine große
    55 Menge Aktien zu einem Preis von bis zu 20,05 Euro zu
    56 erwerben, platziert dieses möglicherweise zunächst eine
    57 Kauforder für nur 100 Aktien. Gelingt es, diese zu einem
    58 Stückpreis von 20,00 Euro zu erwerben, so platziert das
    59 System als nächstes eine Kauforder für 500 Stück. Ein
    60 Hochgeschwindigkeitsrechner kann hieran automatisch
    61 erkennen, dass es sich um einen großen Kaufauftrag eines
    62 institutionellen Anlegers handelt, der „scheibchenweise“
    63 ausgeführt werden soll. Bevor der Investor damit fortfahren
    64 kann, platziert der Hochgeschwindigkeitsrechner ein
    65 Kaufangebot für 100 Stück zum Preis von 20,01 Euro. Da er
    66 kurzfristig mehr bietet als der institutionelle Anleger,
    67 werden die Verkäufer die Aktien an ihn verkaufen statt an
    68 jenen. Geschieht dies, platziert der
    69 High-Frequency-Trading-Algorithmus als nächstes ein
    70 Verkaufsangebot zum Preis von 20,01 Euro und verkauft die
    71 Aktien an den institutionellen Investor weiter. Dieser hat
    72 also einen Cent pro Aktie mehr gezahlt als er ohne Zutun
    73 des HFT-Algos hätte zahlen müssen, während der
    74 HFT-Algorithmus zum gleichen Preis gekauft und verkauft
    75 hat. Er hat trotzdem einen Gewinn gemacht, weil der
    76 Handelsplatz, der an jeder Transaktion Gebühren verdient,
    77 ihm einen Rabatt von beispielsweise einem Viertel Cent
    78 gewährt.
    79
    80 Als besonders problematisch gilt der sogenannte
    81 „Raubtieralgorithmus“. Dabei nutzt der HFT-Algo die oben
    82 beschriebene Methode, um eine Order als die eines
    83 institutionellen Anlegers zu identifizieren. Unter
    84 Ausnutzung seines Liquiditätsrabatts treibt er den Preis
    85 schrittweise in die Höhe, bis er das vom institutionellen
    86 Anleger gesetzte Limit erreicht hat. Zu diesem Preis
    87 vollzieht er dann einen Leerverkauf, im Wissen, dass der
    88 Kurs mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder fallen wird.
    89 Sobald dies geschieht, covert er. Innerhalb weniger
    90 Sekunden können auf diese Weise starke Kursschwankungen
    91 entstehen.
    92
    93 Eine weitere beachtenswerte Tradingmethode im HFT-Handel
    94 ist das Pinging. Es beruht auf der
    95 Immediate-or-cancel-Systematik, also der Möglichkeit,
    96 Orders zu platzieren und sie, so sie nicht ausgeführt
    97 werden, sofort wieder zu annulieren. Die HFT-Algos können
    98 dies im Bruchteil von Sekunden vollziehen. So sind sie in
    99 der Lage, versteckte Limits institutioneller Anleger
    100 auszutesten. Ein institutioneller Anleger ist
    101 beispielsweise bereit, Aktien zu einem Preis von bis zu
    102 20,03 Euro zu erwerben, bietet jedoch zunächst nur 20,00
    103 Euro. Der HFT-Algorithmus identifiziert diese Order nach
    104 der eingangs beschriebenen Methode als die eines
    105 institutionellen Anlegers. Alsdann platziert er eine
    106 Verkaufsorder zum Preis von beispielsweise 20,05 Euro. Da
    107 kein Verkauf zustande kommt, cancelt er die Order und
    108 platziert als nächstes ein Verkaufsangebot von 20,04 Euro.
    109 Wiederum erfolgt keine Reaktion. Der Algorithmus geht auf
    110 20,03 Euro, und diesmal wird die Order ausgeführt. Der
    111 HFT-Algorithmus kennt nun das Oberlimit des
    112 institutionellen Anlegers. Er wendet sich nun wieder dem
    113 Markt zu und überbietet dort den institutionellen Anleger
    114 um einen Cent, kauft also für 20,01 Euro weitere Aktien
    115 auf, um sie dem institutionellen Anleger für 20,03 Euro
    116 weiterzuverkaufen.
    117
    118 Sämtliche dieser Tradingmethoden gehen auf Kosten der
    119 institutionellen Anleger, da sie darauf basieren, einen
    120 Preis künstlich in die Höhe zu treiben, von einem
    121 Liquiditätsrabatt zu profitieren und/oder einen
    122 Geschwindigkeitsvorsprung auszunutzen. Es handelt sich also
    123 um keine nachhaltige Handelsstrategie. Die ursprüngliche
    124 Rechtfertigung für das Zulassen solchen Handelns besteht in
    125 einem vermeintlichen Liquiditätszuwachs. Eine Steigerung
    126 der Handelsvolumina, wie sie durch HFT unzweifelhaft
    127 bewirkt werden, wird traditionell als Gewinn an Stabilität
    128 verstanden, da man davon ausgeht, dass umso mehr Liquidität
    129 am Markt ist, je mehr gehandelt wird. Dies ist jedoch ein
    130 Trugschluss. Die für den traditionellen Handel geltende
    131 Logik lässt sich auf das algorithmenbasierte HFT gerade
    132 nicht übertragen, da die Hochleistungsrechner im Fall von
    133 Verlusten dem Markt ihre Liquidität jederzeit wieder
    134 entziehen. Statt Märkte zu stabilisieren, führt HFT deshalb
    135 zu einer Destabilisierung des Finanzsystems.
    136
    137 Warum das so ist, wird verständlich, wenn man sich die
    138 Kettenreaktion ansieht, die im Falle eines nicht
    139 auszuschließenden Scheiterns der oben beschriebenen
    140 Tradingstrategien entsteht. Bleiben wir beim Beispiel des
    141 durch Pinging hochgepushten Kurses. Der letztendliche
    142 Erfolg dieser Strategie hängt allein davon ab, ob es dem
    143 HFT gelingt, die zum Zwecke des Weiterverkaufs an den
    144 institutionellen Anleger erworbenen Aktienvolumina
    145 tatsächlich zu verkaufen. Es kann nicht ausgeschlossen
    146 werden, dass der HFT zu viele Aktien erworben hat und nicht
    147 alle zum erstrebten Preis absetzen kann. Automatisch wird
    148 er sein Verkaufsangebot dann schrittweise reduzieren.
    149 Bietet der Markt keine entsprechende Nachfrage, kann es zu
    150 schnellen Kursstürzen, jedenfalls aber zu starken
    151 Kursschwankungen kommen. Da institutionelle und
    152 Kleinanleger auf die von ihnen gehaltenen Positionen in der
    153 Regel Stop-Loss-Limits gesetzt haben, kommt es bei
    154 Erreichen dieser Verlustbegrenzung zu massenhaften
    155 automatischen Verkäufen und damit zu hohen Kapitalverlusten.
    156
    157 Deutlich wurde dies bei dem sogenannten Flash Crash vom 6.
    158 Mai 2010, als der Dow Jones innerhalb von 25 Minuten um
    159 1.000 Punkte abstürzte und dabei Kapitalverluste in Höhe
    160 von 862 Milliarden Dollar verursachte. Die Aktie von
    161 Phillip Morris fiel dabei beispielsweise von 49 auf 17
    162 Dollar, bevor sie sich wieder „erholte“ und bei 47 Dollar
    163 stabilisierte. Tausende von Ordern, die mehr als 50%
    164 unterhalb des vor dem Kurssturz geltenden Kurses ausgeführt
    165 wurden, stornierten die Handelsplätze nachträglich.
    166 Bemerkenswert ist, dass die HFT die ihnen zugeschriebene
    167 Funktion, im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung zu
    168 stellen, nicht erfüllten, sondern im Gegenteil dem Markt
    169 zur Begrenzung eigener Verluste Liquidität in hohem Umfang
    170 entzogen.
    171
    172 Profiteure des HFT sind neben den entsprechenden Firmen vor
    173 allem die Börsenplätze. Für sie zahlt sich aus, dass HFT
    174 das Handelsvolumen künstlich in die Höhe treiben, denn die
    175 Börse verdient an jeder Order Gebühren. Da jeder Kauforder
    176 eines HFT eine Verkaufsorder eines anderen Marktteilnehmers
    177 gegenübersteht (und umgekehrt), lohnt es sich für die
    178 Börse, den HFT Gebühren zu erlassen und ihnen zudem einen
    179 Liquiditätsrabatt zu gewähren, der es ihnen ermöglicht,
    180 auch dann noch Gewinne zu machen, wenn sie zum selben Preis
    181 verkaufen, wie sie gekauft haben. Manche Börsenbetreiber
    182 gewähren bis zu einem Viertel eines Pennys pro Aktie Rabatt
    183 an Broker-Dealer, wenn diese eine Order platzieren,
    184 verdienen aber daran, dass sie dem Gegenpart, der die Order
    185 zur Ausführung bringt (also dem jeweiligen Käufer bzw.
    186 Verkäufer) eine höhere Transaktionsgebühr in Rechnung
    187 stellen. [FN: Johannes Gomolka: Algorithmic Trading.
    188 Analyse von computergesteuerten Prozessen im
    189 Wertpapierhandel unter Verwendung der
    190 Multifaktorenregression. Potsdam: Universitätsverlag
    191 Potsdam 2010, S. 162.] Dieses sogenannte Maker-Taker-Modell
    192 ist mittlerweile in Europa ebenso üblich wie in den USA.
    193 Außerdem verdienen die Börsen an der Vermietung von
    194 sogenannten Co-Location-Spaces. Da der Erfolg des HFT
    195 zunehmend von der Geschwindigkeit der Datenübertragung
    196 abhängt, haben auf diesem Gebiet tätige Handelsfirmen ein
    197 großes Interesse daran, räumlich so nahe wie möglich an den
    198 Rechenzentren der Handelsplätze selbst angesiedelt zu sein.
    199 Die Rede ist hier von der Latency Arbitrage, also vom
    200 Vorteil, den Handelsfirmen allein aufgrund ihrer besseren
    201 Datenleitung genießen. Der Latenzvorteil, den die örtliche
    202 Nähe mit sich bringt, hat rund um die Börsenplätze
    203 fußballfeldgroße Technikclustern entstehen lassen. Die NYSE
    204 hat beispielsweise 2009 eine 120 Quadratmeter große
    205 Colocation in New Jersey und eine weitere bei London bauen
    206 lassen, zu Kosten von 500 Millionen Dollar. [FN: The Wall
    207 Street Journal, 30. Juli 2009,
    208 http://www.efinancialnews.com/story/2009-07-31/nyses-fast-tr
    209 ade-hub-rises-up-in-new-jersey ] Diese Investitionen
    210 rentieren sich offenbar aufgrund der Mieteinnahmen, die die
    211 HFT-Firmen zu zahlen bereit sind. Die Miete rentiert sich
    212 ihrerseits offenbar aufgrund der dadurch erlangten
    213 Handelsvorteile.
    214
    215 Nicht zuletzt aber verdienen die Börsen an proprietären
    216 Datafeeds, die sie an die Betreiber der
    217 Hochgeschwindigkeitsrechner verkaufen. [FN:
    218 http://blog.themistrading.com/wp-content/uploads/2010/05/THE
    219 MIS-Data-Theft-On-Wall-Street-05-11-10.pdf ] Hier bietet
    220 sich ein Vergleich mit sozialen Netzwerken an: So wie
    221 Facebook Nutzungsdaten der user sammelt, um sie an
    222 Werbetreibende zu verkaufen, sammeln die Handelsplätze
    223 Daten ihrer privaten und institutionellen Kunden und
    224 verkaufen sie als „Direct Feed“ an die HFT-Firmen. In den
    225 USA heißen diese direct feeds etwa BATS PITCH oder
    226 TotalView-ITCH, in Deutschland gibt es den AlphaFlash
    227 („ultraschnelle Wirtschaftsdaten und Ad-hoc-Nachrichten für
    228 Algo-Trading-Applikationen“) [FN:
    229 http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/listcontent/gdb_
    230 navigation/mda/200_market_data/500_news_services/Content_Fil
    231 es/news_services_products/mda_sp_alphaflash.htm ], den High
    232 Performance Xetra Data Feed („all order book updates on an
    233 un-netted basis as soon as they occur“ ) sowie verschiedene
    234 andere Angebote. [FN:
    235 http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/en/binary/gdb_conte
    236 nt_pool/imported_files/public_files/10_downloads/50_informat
    237 ions_services/10_market_data_dissemination/11_information_pr
    238 oducts/10_spot_market/CEF_ultra_+_Xetra.pdf] Der Vorteil
    239 von direct data feeds besteht darin, Orderdaten und
    240 Volumina der Aufträge von institutionellen und
    241 Kleinanlegern schon zu kennen, bevor sie auf dem jeweiligen
    242 Marktplatz platziert werden, um die eigene Tradingstrategie
    243 darauf ausrichten zu können. Ähnlich wie bei Facebook
    244 werden bei den gängigen feeds die Daten natürlich in
    245 anonymisierter Form verkauft, jedoch so, dass sie von den
    246 Hochleistungsrechnern automatisch ausgewertet werden
    247 können. So wird es möglich, dass beispielsweise eine
    248 Kauforder, die eine Bank für einen ihrer Privatkunden in
    249 das Handelssystem eingibt, noch vor der Platzierung am
    250 Handelsplatz an einen HFT übermittelt wird, der daraufhin
    251 ggf. in der oben beschriebenen Weise den Preis hochtreiben
    252 und die Differenz als Gewinn verbuchen kann.
    253
    254 65% der vom Mannheimer Zentrum für Europäische
    255 Wirtschaftsforschung befragten Fachleute halten die
    256 bisherige gesetzliche Regulierung des
    257 Hochgeschwindigkeitshandels für unzureichend. [FN: ZEW
    258 Finanzmarktreport 18. Jg. April 2010, S. 3.] Wie die obige
    259 Beschreibung gezeigt hat, stellen die in der öffentlichen
    260 Diskussion besonders präsenten Leerverkäufe nur ein
    261 Teilproblem dar, und selbst dieses Teilproblem ist im
    262 Wesentlichen ungelöst. So hat beispielsweise der deutsche
    263 Gesetzgeber das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen stark
    264 beschränkt, nämlich auf deutsche Aktien und Staatstitel der
    265 Eurozone sowie Kreditversicherungen auf Staatstitel der
    266 Eurozone, die keinen Absicherungszwecken dienen, statt ein
    267 umfassendes Verbot solcher Geschäfte zu beschließen.
    268
    269 Dass die Stabilität der Aktienmärkte für die
    270 Gesamtwirtschaft eines Landes wie der Weltwirtschaft von
    271 entscheidender Bedeutung ist, zeigt sich beispielsweise an
    272 den Versuchen, europäische Volkswirtschaften wie die
    273 griechische durch sogenannte „Hilfspakete“ vor dem Bankrott
    274 zu retten. Die Anfälligkeit der internationalen
    275 Finanzmärkte für Kursstürze und Krisen hängt nicht zuletzt
    276 mit dem mittlerweile extrem hohen Anteil des Algotradings
    277 am Gesamthandelsvolumen zusammen. Durch High Frequency
    278 Trading entsteht die Illusion eines stabilen, gesunden, da
    279 mit genügend flüssigen Geldmitteln ausgestatteten
    280 Kapitalmarkts. Tatsächlich hat sich jedoch gezeigt, dass
    281 gerade High Frequency Trader dem Markt die Liquidität, die
    282 sie ihm zur Verfügung stellen, jederzeit wieder entziehen,
    283 um ihre Verluste zu begrenzen. Finanzkrisen haben insofern
    284 eine Auswirkung auf die Wirtschaft, als die
    285 „Rettungsaktionen“ nationaler Regierungen letztlich durch
    286 Steuergelder gegenfinanziert werden müssen. Steigen jedoch
    287 die Steuern, sinkt der Konsum, was wiederum das
    288 Wirtschaftswachstum bremst.
    289
    290
    291 Bitte beachten Sie auch
    292 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft und
    293 2.2.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft -
    294 Teil 2
    295